Wollen wir wirklich effektiven Artenschutz betreiben, ist die Bewahrung von Naturreservaten aus praktischer, finanzieller und nicht zuletzt ethischer Sicht der Tierzucht in Zoos ohne Ausnahme vorzuziehen. Anstatt einzelne Individuen mit großem Aufwand unter unwürdigen Bedingungen einzusperren, könnten wir viele Arten vor dem Aussterben bewahren, indem wir sie unbehelligt in ihrem natürlichen Umfeld existieren lassen.
Artenschutz in Gefangenschaft aus praktischer Sicht
Wenn das Argument der Zoobetreiber, es mit der Erhaltung bedrohter Tierarten ernst zu meinen, Gültigkeit besäße, gäbe es kaum winzige vergitterte oder verglaste Zellen inmitten unserer Städte, in denen sich tausende Tiere langweilen, von denen überhaupt nur ca. zwei Prozent einer gefährdeten Art angehören. Geschützte Bereiche ließen sich an anderen Orten (zum Beispiel in der Heimat der betoffenen Tiere und fern von zahlenden Menschenmassen) viel zweckdienlicher gestalten: Sie wären günstiger im Unterhalt, die Tiere hätten mehr Fläche zur Verfügung, das Klima wäre bereits das geeignete und es wären keine Transporte nötig.
Die Zerstörung von natürlichem Lebensraum durch Menschen stellt die größte Bedrohung für viele Tierarten dar. Ein wirkungsvoller Schutz dieser Gebiete bietet viel größere Chancen für die Bemühungen, ganze Spezies vor dem Aussterben zu bewahren. Ohne diesen Schutz besteht keine Hoffnung für die Tiere, jemals wieder in ihrer arteigenen Umgebung eine ausreichend große Population aufbauen zu können. Das Einsperren einiger Letzten ihrer Art ist keine angemessene Antwort auf die systematische Zerstörung ihrer Lebensräume. Würden nun einige Individuen einer Art lediglich in Gefangenschaft über mehrere Generationen am Leben erhalten werden, während ihre Artgenossen innerhalb ihres Ökosystems nicht mehr existieren (können), wird damit der eigentlichen Zweck, eine dauerhafte und stabile Population in ihrem natürlichen Lebensraum zu erhalten, verfehlt.
Nur sehr wenige Tiere konnten bisher erfolgreich aus Zoos zurück in ihren eigentlichen Lebensraum versetzt werden. Bei genauerer Betrachtung stellen sich Zuchtprogramme in Zoos als die ineffizienteste Methode, gefährdete Arten zu schützen, heraus. So ist die überwältigende Mehrheit der in Zoos geborenen Tiere eben nicht für die Freisetzung bestimmt, sondern das Ergebnis ungeplanter Fortpflanzung oder von Bemühungen, laufend neue „Baby-Tiere“ als Touristen-Attraktion zu erzeugen. Die große Mehrheit der Arterhaltungsprogramme sieht nicht einmal eine Rückführung der Tiere in ihren angestammten Lebensraum vor. Die Nachkommen der meisten in Zoos gefangen gehaltenen Tiere weren für immer Teil der Kette von Zoos, Zirkussen, Streichelzoos und Händlern exotischer Tiere bleiben, zwischen denen sie im Tausch gegen Geld oder andere Tiere „verschoben“ werden.
Einzelne Individuen einer bereits als gefährdet eingestuften Art aus ihrem natürlichen Lebensraum zu entfernen (und in die „Sicherheit“ eines Zoos zu verfrachten) kann darüber hinaus zu einer erhöhten Gefährdung der Art führen, da die verbleibende Population damit in ihrer genetischen Diversität eingeschränkt wird und es außerdem schwieriger für sie wird, geeignete Partner zur Fortpflanzung zu finden.
Artenschutz in Gefangenschaft aus der Sicht des Tierrechts
Wird Artenschutz aus der Perspektive des Umweltschutzes betrieben, bedeutet dies, dass ein Java-Nashorn besseren Schutz als eine Kuh verdient, weil Java-Nashörner in ihrer Gesamtheit gefährdet sind und der Verlust eines einzigen Java-Nashorns Auswirkungen auf das Überleben der gesamten Art haben könnte. Vom Standpunkt der Tierrechte aus betrachtet muss dem Java-Nashorn nicht mehr und nicht weniger Leben und Freiheit als der Kuh zugestanden werden, denn bei beiden handelt es sich um empfindungsfähige Individuen. Java-Nashörner verdienen demnach Schutz, weil sie fühlende Wesen sind, nicht nur weil ihre Spezies als gefährdet eingestuft wird.
Einige wenige Individuen einzusperren, um damit der gesamten Spezies zu dienen, verletzt die Rechte des Individuums. „Spezies“ ist eine von Menschen festgelegte wissenschaftliche Kategorie, kein empfindungsfähiges Lebewesen. Deshalb kann eine Spezies nicht über Rechte verfügen, sondern nur ihre einzelnen Angehörigen. Die Zugehörigkeit zu einer gefährdeten Spezies darf aber nicht zur Folge haben, dass ein einzelnes Tier weniger Rechte innehat als ein Tier, dessen Art nicht als bedroht gilt. Wir können es nicht rechtfertigen, die Rechte eines Individuums willkürlich zu verletzen, damit anderen damit eventuell geholfen wird.
Zwei Beispiele aus dem menschlichen Kontext: Könnten wir verantworten, einen zufällig ausgewählten Menschen aus der Mitte seiner Familie zu entführen, um mit seinen Organen das Leben einiger anderer Menschen zu retten? Die Antwort lautet nein: Jeder Mensch besitzt das Recht, über sein Leben selbst entscheiden zu können, selbst dann, wenn durch seinen Tod viele andere gerettet werden könnten.
Und einmal angenommen, wir brächten in Erfahrung, dass ein kleines Volk im Amazonasgebiet nur noch eine kleine Überlebenschance hat, weil sein Lebensraum durch den Raubbau am Regenwald immer kleiner wird. Wäre es eine gute Idee (praktisch wie moralisch), einige dieser Menschen in unsere Großstädte zu transportieren, um sie dort in Gehege zu sperren und gegen Geld zur Schau zu stellen, während ihr eigentlicher Lebensraum vollständig zerstört wird? Könnten wir die Inhaftierung völlig unschuldiger Personen rechtfertigen, wenn unser bestes Argument lautet „wir sind nun mal dabei, ihren Lebensraum unwiederbringlich zu zerstören“?