Die Katze in der Mülltonne

Eine 45-jährige Frau aus Coventry, England, wurde von einer Überwachungskamera aufgenommen, als sie eine Katze namens Lola in eine Mülltonne fallen ließ. Weder Mary Bale noch ihr Anwalt konnten eine rationale Erklärung für die Tat abgeben, Bale wäre jedoch von Stress und Sorge um ihren kranken Vater geplagt gewesen und hätte für einen Sekundenbruchteil die Folgen ihrer Handlung falsch eingeschätzt. Am Abend des 21. August nahm sie  eben jene Katze, welche sie an vielen Abenden zuvor auf ihrem Heimweg regelmäßig gehätschelt hatte, und ließ sie in der Tonne verschwinden, wo das bedauernswerte Tier 15 Stunden später von ihren „Eigentümern“ gefunden wurde.

Nachdem das Video auf YouTube in der Hoffnung veröffentlicht worden war, ein Internetnutzer könnte die Frau identifizieren, erhielt Mary Bale beleidigende Telefonanrufe und Todesdrohungen bis aus Australien, wie die Online-Ausgabe des Guardian berichtet.

Des weiteren ließen tausende empörte Facebook-Nutzer die Welt wissen, Mary Bale sei „schlimmer als Hitler“ und sie verdiene nichts Geringeres als die Todesstrafe. Weil sie öffentlichen Schmähungen wie diesen ausgesetzt war, verzichtete Richterin Goulborn auf die Verhängung der Höchststrafe von sechs Monaten Haft beziehungsweise 20000 Pfund Geldstrafe. Sie wurde zur Zahlung von insgesamt 1436 Pfund verurteilt und darf die nächsten fünf Jahre lang keine Tiere „halten“. Nachdem sie ihre Arbeitsstelle als Bankangestellte wegen Depressionen für eine begrenzte Zeit nicht aufgesucht hatte, hat sie nun die endgültige Kündigung eingereicht.

Die Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals (RSPCA) hatte den Fall vor Gericht gebracht, weil sie darin einen Verstoß gegen den Animal Welfare Act sah. Bale habe der Katze absichtlich unnötiges Leid zugefügt. RSPCA-Sachverständige Nicola Foster bemerkte zum Urteil:

Wir sind froh, dass uns das Gericht darin zugestimmt hat, dass das Wohlergehen der Katze vollständig missachtet wurde, dass die Katze gelitten hat und ihre Bedürfnisse nicht erfüllt wurden, weil sie für so viele Stunden in der Tonne gefangen war.
Wir hoffen jedoch, dass dieses Urteil als Abschreckung dienen wird für alle, die glauben, dass es zulässig ist, Tiere in irgendeiner Weise zu misshandeln.

Die RSPCA sorgt im Gegenzug dafür, dass noch mehr „Nutztiere“ in die Welt gesetzt, eingesperrt, gequält und getötet werden, zum Beispiel mit dem „Freedom Food“-Programm. Dabei dürfen bestimmte „Erzeuger“ von Tierprodukten das „Freedom Food“-Logo auf ihre Verpackungen kleben, wenn die Produkte nach „höheren“ Tierschutzstandards, von der Society definiert und kontrolliert, hergestellt wurden. Nicht nur können Konsumenten damit sicherstellen, dass das Leben der von ihnen konsumierten Tiere schön und glücklich war, weshalb sie endlich wieder mit gutem Gewissen zugreifen und die Bilder aus der schrecklichen Massentierhaltung aus dem Gedächtnis streichen können, auch die Gastronomie könne vom „wachsenden Trend“ der moralisch akzeptablen Tierausbeutung profitieren, indem sie Nahrungsmittel mit dem Freedom Food-Logo in ihr Angebot aufnähme.

Wir wissen, dass kein Happy-Bio-Öko-Freedom-Label dieser Welt auch nur ein einziges Tier vor seiner totalen Ausbeutung schützt. Solange nichtmenschliche Tiere Eigentum des Menschen sind, bleiben sie Wirtschaftsgüter und werden als solche behandelt werden. Videos wie das der BBC belegen, dass das Freedom-Food-Konzept nur begrenzte Auswirkungen hat: Die „Erzeuger“ können ihre Produkte teurer verkaufen, während der Kunde überzeugt wird, etwas Gutes für die Tiere zu tun.

In order to provide a clear and consistent message to consumers, it’s important that the use of the Freedom Food logo is regulated.

Die RSPCA sieht allerdings keinen Widerspruch darin, die Verurteilung Bales wegen Tiermisshandlung als „faire Entscheidung“ zu bezeichnen und gleichzeitig institutionelle Tierausbeuter in Marketingfragen zu beraten und ihnen wirkungsvolle Verkaufsargumente an die Hand zu liefern für Produkte, welche erwiesenermaßen unnötig sind und zwangsläufig Leid und Tod für unschuldige Individuen bedeuten.

Einen Doppelstandard legen auch die nichtveganen „Tierfreunde“ an, die über diverse Online-Kanäle oder direkt an Bale gerichtet ausdrückten, was sie von Leuten halten, welche Tieren unnötiges Leid zufügen. Offensichtlich sind sie sich nicht im Mindesten darüber bewusst, dass sie sich durch ihren (von mir in den allermeisten Fällen unterstellten) Tierproduktkonsum auf moralischer Ebene nicht von jenen unterscheiden, die – zum Vergnügen oder aus akuter Verwirrung heraus – ein oder mehrere Tiere eingesperrt, verletzt oder getötet haben.

Denn um eine „klare und widerspruchsfreie Botschaft“ zu übermitteln, müssten Organisation, welche sich die Prävention von Tierleid auf die Fahnen geschrieben haben, über die einzige in Theorie und Praxis logische und konsequente Herangehensweise an das Problem aufklären: Veganismus. Die RSPCA und unzählige weitere Organisationen beschränken sich jedoch darauf, die Konsumenten zum Kauf von vermeintlich „besseren“ Tierprodukten zu ermuntern, anstatt mit der Prävention von Tierleid dort anzufangen, wo es anfängt: Bei der Nachfrage nach Waren, welche schlicht und einfach nicht geliefert werden können, ohne Leid zu verursachen.


Veröffentlicht am 7. November 2010