Kleiner Sieg, keine Wirkung

In Berlin pflegt ein sibirisches Restaurant Gerichte mit Bärenfleischanteil zu servieren. Das Muskelgewebe stammt von estländischen Braunbären, die in ihrer Heimat – gemäß den Gesetzen, welche sich die Menschen dort gegeben haben – gejagt und getötet werden dürfen, weswegen das zuständige Bezirksamt auch keine Einwände gegen den Verkauf der Leichenteile vorbrachte.

Die B.Z. berichtet nun von der kurzfristigen Einstellung des Angebots. Sogenannte Tierschützer, allen voran Grünen-Tierschutzexpertin Claudia Hämmerling, nahmen Anstoß daran, dass Gewebe von eben dieser Tierart und nicht von einer anderen auf der Speisekarte des Restaurants „Bogus“ in Prenzlauer Berg zu finden ist. In Deutschland stehen Braunbären unter Schutz, sie zu töten ist strafbar und sie zu essen demnach scheinbar unmoralisch.

Auf der Suche nach Mitteln gegen diese Verantwortungslosigkeit fand Hämmerling prompt ein fehlendes Glied in der Legalitätskette: Die Restaurantbetreiber konnten ein offizielles estländisches Vermarktungszertifikat nicht vorlegen. Deshalb schritt das Bezirksamt letztendlich doch ein und untersagte den Betreibern das Anbieten von Bärengewebe, bis das Zertifikat nachgereicht werde.

Sobald dies geschehen ist, wird es weitergehen wie vorher. Der Bär als Individuum findet an sich keine Berücksichtigung, aber weil seine Spezies in einigen Gegenden Europas gefährdet ist, setzen sich Artenschützer für die Schonung der „Bestände“ ein. Die Tiere, deren zerkleinerte Leichen in den unzähligen anderen Restaurants Berlins (und anderswo) verkauft werden, teilen mit den Bären ein fundamentales Interesse an Leben, Freiheit und Unversehrtheit, gehören aber Arten an, welche weit davon entfernt sind, auszusterben.

Dass ein empfindungsfähiges Individuum nicht nur dann ein Interesse am Weiterleben hat, wenn seine Spezies als Ganze gefährdet ist, leuchtet eigentlich schnell ein. Umso weniger verständlich ist deshalb die von Tierschutzexperten unterstützte moralische Grenzziehung zwischen der Tötung von Bären (oder Delphinen oder Katzen) und der Tötung von Hühnern (oder Schweinen oder Rindern).


Veröffentlicht am 10. Juli 2010