In der Online-Ausgabe des Boulevardblatts 20 Minuten wird von Kerstin Cook berichtet, der aktuellen „Miss Schweiz“, welche von mehreren Tierschutzvereinigungen kritisiert wurde, weil sie sich ein Kaninchen „hält“. Nun bezieht sich die Kritik erstaunlicherweise nicht auf das Grundrecht eines jeden Kaninchens auf ein Leben ohne räumliche Begrenzung, vielmehr fordern die Tierschützer, Cook solle nicht etwa gar keins, sondern vielmehr zwei Kaninchen einsperren.
Eva Waiblinger vom Schweizerischen Tierschutz formulierte ihre Meinung mit „Das grenzt an Tierquälerei.“ Dabei bezog sie sich wohlgemerkt nicht auf die Institution „Heimtierhaltung“, sondern auf den speziellen Fall „Nagetierhaltung ohne mindestens einen weiteren Artgenossen“.
Gieri Bolliger von der Stiftung für das Tier im Recht forderte Frau Cook explizit auf, ein weiteres Kaninchen „anzuschaffen“ und für den Rest seines Lebens in Gefangenschaft zu halten. Die Stiftung gibt außerdem auf einer News-Seite bekannt, dass es nicht in ihrer Absicht lag, Frau Cook wegen nicht „artgerechter“ oder „nicht tierschutzrechtskonformer Haltungsmethoden“ anzuschwärzen. In einem persönlichen Schreiben betonte die Stiftung, die „Einzelhaltung“ von Kaninchen als sozial lebende Tiere sei problematisch und der Kontakt zu Artgenossen sollte unbedingt ermöglicht werden, nur das Wort „Tierquälerei“ hätte Bolliger niemals ausgesprochen. „Wir hoffen, dass sich die für Sie und uns leidige Angelegenheit damit erledigt hat.“
Während wir also feststellen, dass für das Problem „ein eingesperrtes Kaninchen“ aus tierschützerischer Sicht die Lösung „zwei eingesperrte Kaninchen“ lautet, dass für die Stiftung für das Tier im Recht alles keine Quälerei ist, was das schweizerische Tierschutzgesetz erlaubt, und vor allem, dass sich die leidige Angelegenheit für Frau Cooks Kaninchen keinesfalls erledigt hat, zum Schluss ein wenig Gewissensakrobatik:
K.C: […] I was thinking about doing something with animals or children, because there are so many children who have really hard lives. I’d like to do something like that – or animals, because I love animals. I would never harm an animal.
swissinfo.ch: You’re a vegetarian?
K.C: Er, no. I wouldn’t harm an animal, but I will eat it!
Wie könnte eine Lösung des Problems aus tierrechtlicher Sicht beschrieben werden?
Weil die Menschen andere Tiere domestiziert haben, geraten wir in Situationen, aus denen kein moralisch akzeptabler Ausweg zu finden ist und wir bestenfalls zwischen zwei Übeln wählen können, aber dabei die Rechte des einen oder des anderen Tieres zwangsläufig verletzen. Das Anketten bestimmter Hunde, das sporadische Verfüttern von Fleisch an bestimmte Katzen oder die Kastration bestimmter Ratten ist verbunden mit massiven Eingriffen in die Rechte bestimmter Tiere, obwohl sie in der gegebenen Situation das kleinere Übel bilden.
Auch die Adoption von Tieren kann das als das Kurieren eines Symptoms bezeichnet werden – die Lösung, die die Ursache des Problems angeht, kann nur in einer Änderung unseres Weltbildes liegen. Erst wenn die sogenannte breite Masse anerkennt, dass wir kein Recht dazu haben, nichtmenschliche Tiere zu welchen Zwecken auch immer einzusperren, werden Tierheime überflüssig und die Problematik der Domestizierung löst sich quasi von selbst. Als Beitrag zu dieser Lösung können wir versuchen, andere darüber aufzuklären, warum die Tierheime so voll sind und warum wir aufhören sollten, Tiere für den „Hausgebrauch“ (und jeden anderen „Gebrauch“) zu züchten.
Anstatt die mediale Aufmerksamkeit zu nutzen und darüber aufzuklären, dass die gemeinsame „Haltung“ zweier Kaninchen moralisch ebenso wenig rechtfertigbar ist wie die eines einzelnen (selbst wenn es für das eine Kaninchen ein geringfügig kleineres Übel bedeutet), übermitteln genannte Tierschützer die Information, der Kern des Problems sei nicht dass, sondern wie wir andere Tiere einsperren. Die Tierschutzvereinigungen als für den Laien absolute Experten auf dem Gebiet des Tierwohls untermauern den Status nichtmenschlicher Tiere als Eigentum des Menschen und sorgen so dafür, dass sich domestikationsbedingte Dilemmata ständig fortsetzen und wiederholen.
Wir wissen selbstverständlich, warum: Würde die Stiftung für das Tier im Recht (oder jede andere Tierschutzorganisation) bei jeder Gelegenheit fordern, jegliche „Haltung“ von „Heimtieren“ solle illegalisiert werden und die Menschen sollten ihre Vorstellung von der Unmoral der Gewalt gegen Unschuldige endlich in die Tat umsetzen und vegan werden, wären die Spendenvorräte schnell aufgebraucht.
Bleibt noch zu erwähnen, dass die Stiftung bei ihrer Aufforderung an Frau Cook, sich ein weiteres Kaninchen ins Haus zu holen, unbedingt hätte erwähnen müssen, dass dieses auf gar keinen Fall aus einer Tierhandlung oder von einem Züchter stammen dürfe, sondern aus noch widrigeren Umständen („Tierheim“) adoptiert werden solle.