Vom 12. Januar diesen Jahres stammt die Meldung in der Märkischen Allgemeinen, laut der ein auf dem Eis festgefrorener Höckerschwan von Feuerwehrleuten gerettet wurde. Nachdem er sich bei der Annäherung des Ortswehrführers im Spezialanzug in Panik von der Eisfläche losgerissen hatte, wurde er aus einem Boot heraus eingefangen und in die staatliche Vogelschutzwarte in Buckow verbracht.
So weit, so gut. Unser Dank an die Feuerwehr, die ihrer Aufgaben Retten, Löschen, Bergen, Schützen wieder gerecht wurde und einem weiteren Individuum das Leben retten konnte. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Schwan überhaupt erst in diese missliche Lage geriet, weil ihm ein großer Angelhaken im Flügel steckte. Zu allem Überfluss hatte sich ein weiter Haken in sein Muskelgewebe überhalb des Beins gebohrt, was zur totalen Einbuße seiner Bewegungsfähigkeit führte.
Die Wunden wurden in der Vogelschutzwarte versorgt, und wenn die Heilung erwartungsgemäß verlaufen sein sollte, hat er nach etwa einer Woche sein Bein wieder voll belasten und zurück in die Freiheit entlassen werden können. Dieser einzelne Schwan hatte trotz allem ausreichend von dem, was wir Menschen Glück nennen: Im Sommer 2008 etwa wurde ein Storch von Mitarbeitern eben jener Schutzwarte eingeschläfert, weil ihm eine Angelschnur zum unentrinnbaren Verhängnis wurde.
Glück, keiner der unzähligen Fische zu sein, welche wir Menschen Tag für Tag an Haken in ihren Tod ziehen. Als ob ein solcher Haken im Körper eines Schwans eine besondere Tragödie wäre, weil er doch eigentlich für einen Fisch bestimmt war. Diesen wiederum hätte sein Schicksal nämlich völlig folgerichtig ereilt und nicht nur durch einen unglücklichen und noch bedauernswerteren Zufall.
Glück auch, weil unser Protagonist ein Vogel der Spezies Cygnus olor ist und nicht etwa ein Vogel der Spezies Gallus gallus domesticus. Von den Zeitgenossen der letzteren Art bringen wir jährlich so viele um, dass wir sie in den Statistiken nur als „Tonnen Fleisch“ führen. Die Zahl der Hühner, welche sich mit gebrochenen Beinen in den sogenannten Kadavermulden der Mastbetriebe wiederfinden, wird schon aus Kostengründen nicht erfasst. Aus menschlicher Sicht liegt das Wertverhältnis zwischen einem deutschen Huhn und einem deutschen Schwan bei 2,99 Euro (brutto) zu einem Feuerwehreinsatz mit anschließender Heilbehandlung.
Wenn wir aus Solidarität oder auch nur aus Mitgefühl einem Tier (dem Schwan) unter Einsatz des eigenen Lebens das Federkleid retten (und das sollten wir nach Möglichkeit), können wir nur mit Hilfe einer unbegründeten Doppelmoral einem sehr ähnlichen Tier (dem Huhn) gleichzeitig jedwede Solidarität verwehren und uns sogar finanziell an seiner Ausbeutung und Ermordung beteiligen.