Vom Ponytätowierer

Die Nachrichtenagentur AFP meldet: Das Verwaltungsgericht Münster verbot dem „Halter“ eines Ponys, dieses am rechten hinteren Schenkel zu tätowieren. Der Mann habe das Tier „individuell verschönern“ wollen und bereits die ersten Vorbereitungen abgeschlossen. Ein willkürlicher Google-Treffer belegt unter anderen folgende Reaktionen auf  das Bekanntwerden des Urteils: „Wie bekloppt wird die Menschheit eigentlich noch?“ – „Der Typ hat sie doch nicht mehr alle!“ – „Ich glaub es nicht. Sonst gehts dem aber noch gut?“ oder „Herr…..lass es Hirn regnen.“

Es scheint Einigkeit darüber zu herrschen, a.) dass Tätowierungen mit Schmerzen verbunden sind, b.) dass unfreiwillige Tätowierungen unnötig sind, und c.) dass die Zufügung unnötiger Schmerzen nicht in Ordung ist. Daraus folgt für alle eindeutig, dass das Tätowieren von Ponys nicht rechtfertigbar ist, solange es nicht notwendig ist und Schmerzen verursacht. Der Wunsch, ein tätowiertes Pony zu besitzen, reicht als Rechtfertigung jedenfalls nicht aus.

Die Begründungen für die Entscheidung des Gerichts lauten:

1. Die Tätowierung „eines warmblütigen Wirbeltieres stellt einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz dar“. Dieses „verbietet das Zufügen von Schmerzen ohne vernünftigen Grund“.

2. Für das Tier sei nicht einsehbar, warum es tätowiert werde, weder Zweck noch Dauer dieses Schmerzes seien ihm verständlich.

3. Die Erklärung des „Halters“, das Pony lediglich „verschönern“ zu wollen, sei nur vorgeschoben. In Wirklichkeit wäre er von einem kommerziellen Interesse angetrieben worden, er hätte geplant, mit einem „Tattoo-Service für Tiere“ Geld zu verdienen.

Obwohl einige Menschen offensichtlich Gefallen am Anblick eines tätowierten Tieres finden, ist es selbstverständlich nicht nötig, Tiere zu tätowieren, ebenso ist es nicht nötig, Tiere zu züchten, einzusperren und zu töten, weil einige Menschen Gefallen am Geschmack eines Tieres finden, weil sie gerne Lederjacken tragen oder weil sie gerne Löwen beim Durch-brennende-Ringe-springen zusehen.

Der überwältigende Teil der Benutzung anderer Tiere durch Menschen kann ausschließlich durch Genuss, Bequemlichkeit oder Unterhaltung gerechtfertigt werden. In diesem überwältigenden Teil aller Fälle ist es nicht notwendig, Produkte zu konsumieren, für deren Herstellung andere Tiere zwangsläufig eingesperrt oder getötet werden müssen. Auch wenn das sogenannte Tierschutzgesetz permanent so ausgelegt wird, dass es sich selbst untergräbt: Genuss, Bequemlichkeit und Vergnügen können keine „vernünftigen Gründe“ sein, aus denen wir die fundamentalsten Rechte anderer Individuen auf Freiheit und Unversehrtheit ignorieren können.

Folgende Fragen sollten wir auf dieser Basis zu beantworten versuchen:

1. Können wir einen moralischen Unterschied machen zwischen dem Vergnügen am Anblick und dem Vergnügen am Geschmack, wenn beides Leid verursacht und beides in jedem Sinne des Wortes unnötig ist? – Oder: Wie fiele das Gerichtsurteil aus, gäbe es eine „humane“ Methode, mit der ein „Halter“ sein „Eigentum“ tätowieren könnte, indem er es zum Beispiel über den gesamten Heilungsprozess hinweg schmerzunempfindlich machte?

2. Hat es je eine Rolle gespielt, ob Tieren, welche ein Leben zu ausschließlich menschlichen Zwecken geführt haben, Zweck und Dauer ihrer Versklavung verständlich war? – Oder: In welcher Hinsicht würde es einer tage- und nächtelang nach ihrem Neugeborenen rufenden Mutterkuh helfen, wenn sie wüsste, dass ihr Sohn bereits getötet wurde, damit ihre Milch fortan an Menschen verkauft werden kann?

3. Warum ist ein kommerzielles Interesse als Ursache für anderes, alltäglicheres aber ebenso unnötiges Tierleid kein Anlass für unterbindende Gerichtsurteile? – Oder: Wie kommt es, dass manche Praktiken ausdrücklich erlaubt sind (beispielsweise die Kastration männlicher Ferkel bis zum siebten Lebenstag ohne Betäubung), gerade weil sie wirtschaftliche Vorteile bieten?


Veröffentlicht am 15. Dezember 2010