Würdest du Welpen ertränken?

Im Forum der WWF-Jugend berichtet eine Benutzerin von einem Welpen, der nur knapp vor dem Ertrinken gerettet werden konnte. Die Personen, welche die Verantwortung für den jungen Hund trugen, hätten ihn an einen beschwerten Beutel gebunden in ein Gewässer geworfen. Die Kommentare reichen von „nur zum Heulen“ über „unfassbar, abartig!“ bis „man sollte den Menschen, die sowas machen, auch mal einen Haufen Backsteine an den Hals hängen und irgendwo ertrinken lassen“.

Davon abgesehen, dass entsprechend junge Internetnutzer unverschuldet schlecht darüber informiert sind, was die „Erzeugung“ von Milch und Eiern für Jungbullen und männliche Küken bedeutet, fällt auf, dass ein gewisses Gefühl für moralisch gute oder schlechte Handlungen vorhanden zu sein scheint, auch ohne Tierrechtshintergrund oder Philosophiestudium. Die letzte Erkenntnis lautet nämlich „zwar ist es schon schrecklich aber wenn wir mit dem besitzer das gleiche tun sind wir nicht besser“.

Der Satz „Einen Welpen oder auch andere Tiere so töten zu wollen ist einfach nur krank“ scheint anzudeuten, dass es als geistig „gesünder“ anzusehen sei, würde der Welpe auf eine andere Weise getötet. Die Verfasserin ist sich wohl durchaus bewusst, dass wir hier und heute sehr viele Tiere töten, weil es für uns einen Vorteil bedeutet, so wie der Täter hier offensichtlich einen Vorteil darin sah, den Welpen loszuwerden. Ist es also die Art des Todes, welche die Tötung unmoralisch macht, das Alter des Tieres, die Spezies, oder die Tötung selbst?

Würdest du Welpen ertränken?

Wenn du keine Welpen ertränken würdest, würdest du Kühe essen? Wenn du keine Kühe essen würdest, würdest du ihre Milch trinken, würdest du ihre Haut tragen?

Wenn du an den Golf von Mexiko fahren und ölverschmierte Pelikane retten würdest, wenn du nur könntest, würdest du trotzdem Hühner essen? Wenn du keine Hühner essen würdest, würdest du ihre Eier essen?

Wenn du glaubst, die eine Form der Benutzung anderer Tiere ist unmoralisch, würdest du glauben, andere Formen sind es nicht?

Gibt es einen wirklichen moralischen Unterschied zwischen dem Einsperren eines Gorillas im Zoo oder dem Jagen eines Wals und dem Zugeständnis an die Milchindustrie, von der Schlachtung von Kälbern profitieren zu dürfen oder an die Legehennen-Brutanstalten, einen Tag alte Küken lebendig zermahlen zu dürfen?

Spielt es eine Rolle, für die individuellen Leben selbst, ob der Tod für sie durch das Skalpell des Experimentators oder durch den Degen des Matadors kommt?

Wenn du rechtfertigen kannst, warum wir keine Welpen ertränken sollten, während du gleichzeitig rechtfertigen kannst, dass wir jedes Jahr mehrere zehn Milliarden andere Tiere gebrauchen, missbrauchen und töten sollten, erkläre mir bitte, wie du das tust. Ich würde es ehrlich gerne wissen.

Wenn du dich nicht mit meinen Fragen beschäftigen willst, in Ruhe gelassen werden und dein Eis essen und dein Hunderennen ansehen willst, liegt es daran, dass du die Antworten nicht kennst oder daran, dass du dich einfach zu wohl fühlst mit deiner Art zu leben? Könnte es sein, dass es dir einfach egal ist?

Gary Francione spricht von „moralischer Schizophrenie“ und meint damit, dass Menschen oft zwei verschiedene Ansichten über den Status anderer Tiere vertreten – einige nehmen wir in unser Zuhause auf und lieben sie, während wir andere zu Ernährungs- oder sportlichen Zwecken töten oder zu unserer Unterhaltung lebenslang einsperren. Ich bin sicher, dass dabei oft kognitive Dissonanz im Spiel ist. Aber ich bin genauso sicher, dass noch viel mehr Menschen an „moralischer Gleichgültigkeit“ leiden, insofern sie intuitiv einsehen, dass es fast immer so gut wie keinen Unterschied macht wie sie jemanden töten würden, von Bedeutung ist nur, dass sie jemanden töten. Und dennoch lassen sie das Töten zu, weiter und weiter, in ihrem Namen und zu ihrem Nutzen. Das ist nicht Verrücktheit, das ist Apathie und Nihilismus.

Wenn es unmoralisch ist, lebendige, bewusste Wesen zu behandeln, als wären sie nicht mehr als Maschinen aus Blut und Gewebe – mit denen wir tun können was wir wollen, wie wir wollen und wann immer wir wollen – dann müssen wir jetzt damit aufhören. Und wenn es für Vegetarier wertend oder offensiv klingt, wenn ich das sage, tut es mir leid¹, aber wir müssen vollständig und in allen Fällen damit aufhören. Halbe Sachen und Kompromisse, obwohl sie besser scheinen als der Status quo, verstärken und untermauern ihn letztendlich nur.

Ein Bekenntnis zu den Rechten aller Tiere – nichtmenschlicher wie menschlicher – setzt die Abschaffung der Bedingungen und Systeme voraus, die es ermöglichen, dass sie von anderen als ein Mittel zum Zweck benutzt werden können. Es setzt ein Ende des Status eines jeden Tieres – nichtmenschlich oder menschlich – als eine Sache oder als Eigentum voraus. Es setzt die Anerkennung des grundlegendsten Rechts aller empfindungsfähigen Individuen voraus, ihr Leben ohne Beeinträchtigung und eigenmächtig zu leben.

Du tust es schon für die Welpen. Du solltest es auch für die anderen tun.

Wenn es moralisch zulässig ist, dass ein Unternehmen Rinder schlachtet, um Ledergürtel herzustellen, in welchem Sinne kann es unmoralisch sein, Welpen zu ertränken?

Warum sollte das Ertränken der Welpen ein trivialerer Gebrauch derselben sein, verglichen mit dem Gebrauch von Rindern für den trivialen Zweck der Ledergürtelherstellung?

Wenn es eine Frage der Grausamkeit ist, in welchem Sinne ist das Töten einer Kuh für einen Ledergürtel nicht grausam?

Wenn jemand Welpen ertränken würde, um Gürtel aus ihnen herzustellen, würde das die Grausamkeit beheben?

Wäre das Ertränken von Welpen dann moralisch rechtfertigbar? Wenn nicht, warum nicht?

Die meisten Menschen akzeptieren bereits, dass es moralisch falsch ist, bestimmte einzelne nichtmenschliche Tiere als Dinge und Eigentum zu behandeln; wir können sie nicht gebrauchen oder missbrauchen wie es uns gefällt. Die Frage lautet: Mit welcher relevanten, unwillkürlichen und widerspruchsfreien Begründung akzeptieren die meisten Menschen diesen moralischen Grundsatz nur im Fall einiger nichtmenschlicher Tiere und nicht im Fall aller?
Tim Gier

¹ Vegetarier:innen sind, um das klar zu stellen, in der Mehrzahl wohlmeinende und anständige Menschen. Ich war selbst zehn Jahre lang ein Ovo-lacto-Vegetarier, bevor ich vegan wurde. Ich wünschte, ich hätte mir viel früher die Zeit genommen, die Widersprüche in meinem eigenen Denken zu untersuchen, hinsichtlich dessen was ich, und wir alle, den anderen Tieren dieser Welt schuldig sind. Sofern die anderen Umstände gleich bleiben, verhalten sich Fleisch vermeidende Menschen aus Sicht der Tiere besser als solche, die Fleisch konsumieren, aber dies ist grundsätzlich eine moralische Frage, und besser ist hier einfach nicht gut genug.


Veröffentlicht am 18. Juli 2010