Warum keine Milch, dafür werden doch keine Tiere getötet?

Kalb in Umzäunung vor Kälberhütte

Das ist nicht richtig. Zwar ist der Tod des jeweiligen Tieres hier keine direkte Voraussetzung zur Gewinnung des Produkts (anders als beispielsweise bei „Rinderherz“ oder „Kalbsleber“), dennoch stammen die meisten der hierzulande für die Fleischerzeugung getöteten Rinder aus Betrieben, in denen primär Kuhmilch produziert wird.

Dies sind zum Einen die beim Prozess der Milchgewinnung geborenen männlichen und die meisten weiblichen Kälber, die je nach Gesundheitszustand nach wenigen Tagen oder spätestens nach fünf Monaten ihren Tod im Schlachthaus finden.

Zum Anderen werden „Milchkühe“, deren Laktationsleistung so weit nachgelassen hat, dass ein eine fortgeführte Nutzung wirtschaftlichen Verlust bedeutet (die „Produktionseinheit Milchkuh“ also nicht mehr profitabel ist), getötet. Dies ist derzeit nach etwa vier bis fünf Jahren der Fall (die natürliche Lebenserwartung für Rinder beträgt durchschnittlich 20 Jahre). Viel häufiger jedoch werden „Milchkühe“ getötet, weil sie als Folge der äußerst stressintensiven Dauerbelastung an Klauenerkrankungen, Euterentzündungen oder Fruchtbarkeitsstörungen leiden und damit die Kosten-Nutzen-Bilanz negativ belasten.

Weibliche Säugetiere produzieren während der Schwangerschaft und nach der Geburt Milch, um ihre Nachkommen mit den benötigten Nährstoffen zu versorgen, bevor diese feste Nahrung zu sich nehmen können, nicht mehr und nicht weniger. Rinder bilden keine Ausnahme, auch wenn die Vorstellung von der Kuh, welche jeden Tag literweise überschüssige Muttermilch zu verschenken hat, weit verbreitet ist. Nur durch jahrzehntelange genetische Manipulation, spezielle Kraftfuttermischungen und die Verabreichung von Hormonen kann eine Kuh heute das Zehnfache der für Rinder typischen täglichen Milchmenge produzieren.

Die unnatürliche Größe und das Gewicht des Euters, die lebenslange intensive Milchproduktion, die dem Körper der Kuh Calcium und andere Nährstoffe entzieht, und das permanente Melken, das sehr häufig zu schmerzhaften Infektionen (wie bei stillenden Frauen Mastitis genannt) führt, dazu die psychische Beeinträchtigung durch Gefangenschaft und der stets wiederholte Verlust ihrer Kälber führen zu immensem Leid. Um maximalen Profit aus einer einzelnen Kuh zu schlagen, wird sie so früh wie möglich zwangsbefruchtet. Lässt die »Milchleistung« nach der ersten Geburt nach, folgt die erneute Befruchtung.

All dies trifft im Übrigen keinesfalls nur auf Kühe und Kälber in sogenannten Massentierhaltungen zu. Ein Milchbauer kann keinen Gewinn erzielen, wenn er nicht Kühe der Schwangerschaft aussetzt, die Neugeborenen von ihren Müttern fortnimmt und diese sowie alle „verbrauchten“ Tiere schlachten lässt. Es handelt sich hier um unvermeidliche Aspekte der kommerziellen Milchproduktion. Verbraucher, die Milchprodukte nachfragen, nehmen diese Aspekte bewusst oder unbewusst in Kauf, ob es sich dabei um Bio-Produkte handelt oder nicht.

Wir konsumieren unvorstellbar große Mengen an Milchprodukten, weil wir es von Kindheit an gewohnt sind, weil es bequemer ist, als sich nach Alternativen umzusehen, und weil die Industrie über alle verfügbaren Kanäle den Mythos von der Milch als ausschließlichem Calciumlieferanten verbreitet. Da wir Menschen (wie alle anderen Lebewesen auf der Erde) jedoch tatsächlich in keiner einzigen Phase unserer körperlichen Entwicklung auf artfremde Muttermilch angewiesen sind, muss das oben beschriebene Leid als unnötig bezeichnet werden. Unnötiges Leid zu verursachen, und darin stimmen wir wohl alle überein, ist nicht zu rechtfertigen.