Tiere, welche auf „Bio-Höfen“ oder in „Freilandhaltung“ leben, sind bloße Mittel zu menschlichen Zwecken. Sie unterscheiden sich aus tierrechtlicher Perspektive nicht von „konventionell“ gefangengehaltenen Tieren: Sie alle sind Leibeigene, die dann getötet werden, wenn es ihren Eigentümern am sinnvollsten erscheint. Es spielt prinzipiell keine Rolle, ob die Opfer unter sehr qualvollen oder unter geringfügig weniger qualvollen Bedingungen ausgebeutet werden; die Ausbeutung an sich ist nicht notwendig, daher ist die einzige moralisch akzeptable Verhaltensweise, sie vollständig zu unterlassen.
Es ist gut und wichtig, sich über die Folgen zu informieren, die unser Verhalten für andere hat, und wenn wir sehen, dass es eine Alternative gibt, die weniger Leid verursacht, ist es richtig, diese zu verfolgen. Genauso wichtig dabei ist jedoch, sich ausreichend zu informieren und nicht die Alternative zu wählen, welche zwar unser Gewissen beruhigt, aber das eigentliche Problem nicht umgeht.
Im Zuge der „Bio-Welle“ der letzten Jahrzehnte wurde die Ansicht verbreitet, dass es möglich sei, Tiere und deren Produkte „schonend“, „artgemäß“ oder sogar „human“ zu Nahrungsmitteln zu verarbeiten. Die Bezeichnungen „bio“ oder „ökologisch“ werden dann verwendet, wenn den Tieren entsprechend gekennzeichnetes Futter und eine Haltungsform zukommt, die sich durch meist unerhebliche Unterschiede (z.B. bei der Größe der Anlagen) zur konventionellen Produktion unterscheidet.
Nun ist es selbstredend aus ethischer Perspektive „weniger schlimm“, wenn wir ein Tier unter weniger quälerischen Umständen einsperren, so wie es „weniger schlimm“ ist, einen menschlichen Sklaven nicht jeden Tag, sondern lediglich sechsmal pro Woche auszupeitschen. Die einzige moralisch fundierte Einstellung setzt jedoch die völlige Ablehnung der Sklaverei voraus, und nicht nur eine weniger peinigende Behandlung. Die Haltung von »Bio-Tieren« untermauert deren Status als Eigentum, ihr alleiniger Lebenszweck bleibt die Verwendbarkeit ihrer Körper für die „Besitzer“.
Selbst wenn das Bild der „heilen Tierwelt“, welches uns über Plakate, Fernsehwerbung und Produktverpackungen vermittelt wird, der Wirklichkeit entspräche, bliebe das eigentliche moralische Problem immer noch bestehen: Wir nehmen Tieren gegen deren Willen die Freiheit und das Leben, um unserem Gaumen zu schmeicheln. Das Zertifikat „bio“ schützt kein Tier vor unwillkürlichen Eingriffen in sein Leben, welche drastischer gar nicht sein könnten: Lebenslange Gefangenschaft, Stress, Verstümmelung, Zwangsbefruchtung und – praktisch ausnahmslos – der gewaltsame Tod. Der Konsum von Produkten, deren Herstellung diese Praktiken erfordert, kann wohl kaum als Ausdruck unseres Respekts und unserer Sorge um das Wohlergehen der Tiere gelten.
Tiere aus „Bio-Haltung“ werden als Produktionseinheiten für Güter behandelt, die den Profit des „Erzeugers landwirtschaftlicher Produkte“ sicherstellen sollen. Ein einzelnes Tier besitzt dort nur jeweils den Wert, welchen es zum gegebenen Zeitpunkt für den „Erzeuger seiner Produkte“ hat. Auch ein Bio-Bauer muss innerhalb unseres Kapitalsystems wirtschaften und kann deshalb nur sehr begrenzte Mengen an Zeit, Geld und Ressourcen in das „Glück“ im Leben dieser Tiere investieren. Weil es keine Öko-Schlachthäuser gibt, enden die „Bio-Tiere“ allesamt im selben Transport- und Tötungssystem wie ihre „konventionell“ gefangengehaltenen Artgenossen, welches wiederum auch mit dem absoluten Minimum an Zeit-, Arbeits- und Kostenaufwand betrieben wird.
Für die Produktion von Hühnereiern, Rindermilch und Schweinefleisch treffen folgende Merkmale auf alle heute bestehenden Haltungsformen zu:
- Von den Vögeln, welche einer „Lege-Zuchtlinie“ angehören, werden die männlichen sofort getötet, die Schnäbel dürfen gekürzt und die Mauser erzwungen werden, die permanente Eiproduktion schwächt wegen des extrem hohen Nährstoffbedarfs den eigenen Körper. „Legehennen“ werden nach spätestens zwei Jahren getötet, dem gegenüber steht eine Lebenserwartung von bis zu 15 Jahren in Freiheit.
- „Milchkühe“ werden so früh wie möglich zwangsbefruchtet, der Nachwuchs wird innerhalb weniger Tage von der Mutter getrennt, um möglichst viel Milch für den menschlichen Konsum zu „gewinnen“. Die männlichen Kälber (die für die Milchindustrie nutzlos sind), werden so schnell wie möglich getötet. Die Enthornung der Tiere ist erlaubt, die ständige und hohe Milchproduktion begünstigt Nährstoffmangel (Calcium) und Euterentzündungen (Mastitis). Nach vier bis fünf Jahren werden die Kühe getötet, in Freiheit leben Rinder bis zu 25 Jahre lang.
- Bei den „Mastschweinen“ werden die männlichen Ferkel häufig kastriert, um den Wohlgeschmack ihrer Körper zu gewährleisten, ebenso erlaubt ist das Abschneiden der Schwänze („kupieren“). Die Schweine werden so früh wie ökonomisch vertretbar – in der Regel nach sechs Monaten – getötet. Ihre freien Artgenossen leben oft bis zu 20 Jahre lang.
Die Bezeichnung „bio“ garantiert also keinesfalls ein „glückliches Leben“, sie sagt nichts aus über die Art und Weise, in der die betroffenen Tiere behandelt werden, und noch weniger über deren Wohlbefinden. Sie bezieht sich lediglich auf Regulierungen und Zahlen, welche die Beschaffenheit der Nahrung, die Merkmale und Abmessungen der Fluchtverhinderungsmaßnahmen, die erlaubte Höchstdichte der gefangengehaltenen Tiere und den Umgang mit Krankheiten festlegen.¹
Die Nutzung nichtmenschlicher Tiere nach den Verordnungen des ökologischen Landbaus mag eventuell in einigen Aspekten mit weniger Leid verbunden sein als die „konventionelle“ Tierhaltung, in ihrem Wesen ist sie jedoch ebenso abzulehnen, denn die grundlegenden Interessen und Bedürfnisse (Freiheit, Leben, Unversehrtheit) der genutzten Tiere werden hier in selbem Maße ignoriert.
¹ EG-Öko-Basisverordnung (PDF)