Ist es nicht meine persönliche Entscheidung, was ich esse oder trage?

Person greift nach einem Schuh in einem vollen Regal

Tierprodukte bedeuten unnötiges Leid, und wir haben keine moralische Rechtfertigung dafür, anderen unnötiges Leid zuzufügen. Es ergibt jedoch keinen Sinn, wenn wir einerseits anerkennen (und unseren Kindern vermitteln), dass es falsch ist, Tieren unnötiges Leid zuzufügen, gleichzeitig aber zu verstehen geben, Tieren unnötiges Leid zuzufügen sei eine Sache der persönlichen Entscheidung.

Der Konsum von Tierprodukten kann demnach nur insofern eine „Entscheidung“ sein, als unsere Gesellschaft es uns erlaubt, Dinge zu tun, welche offensichtlich und unbestreitbar moralisch nicht richtig sind. So steht es uns etwa frei, Bekleidung zu kaufen, deren Herstellungsbedingungen als Sklaverei bezeichnet werden müssen; wir können uns für elektrischen Strom entscheiden, bei dessen Erzeugung Müll anfällt, der noch in zehntausend Jahren radioaktive Strahlung emittiert; und wir dürfen Produkte konsumieren, die wir zwar nicht brauchen, für die jedoch fühlende Lebewesen leiden und sterben. Das Recht all dieser Lebewesen, nicht wegen unserer speziellen Vorlieben oder Gewohnheiten ausgebeutet und ermordet zu werden, bleibt ihr Recht, unabhängig von der Gesetzeslage eines Landes, und auch wenn die meisten Menschen sich noch täglich dafür entscheiden können, es nicht zu respektieren.

Der Konsum von Tierprodukten ist zwar noch legal, wird bei uns sogar gefordert und gefördert, dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass unnötige Handlungen, bei welchen Unschuldige zu Schaden kommen, moralisch nicht akzeptabel und daher keine Sache der persönlichen Entscheidung sein können. In der Vergangenheit haben wir mehr als einmal geltende Gesetze geändert und bestimmte Formen der Ausbeutung (zum Beispiel menschliche Sklaverei oder Kinderarbeit) inzwischen weltweit für nicht hinnehmbar erklärt. Lag es also zu einem früheren Zeitpunkt aus gesetzlicher Sicht tatsächlich nur im Ermessen eines Fabrik- oder Plantagenbesitzers, Menschen auszubeuten oder nicht, so wird ein solches Arbeitsverhältnis heute keineswegs mehr als eine persönliche Entscheidung angesehen.

Gewalt innerhalb einer Ehe oder Familie wird von den Tätern oder Täterinnen oft verteidigt, indem die Art der Behandlung der Kinder beziehungsweise der Partner oder Partnerinnen als persönliche Entscheidung dargestellt wird, also als etwas, das außerhalb der Familie niemanden etwas angeht. Dennoch tolerieren wir Gewalt gegen Kinder nicht, weil niemand außer das Kind selbst über die Unversehrtheit seines Körpers und seiner Psyche verfügen kann. Es ist sein persönliches Interesse, nicht das Opfer von Gewalt zu werden, welches schwerer wiegt als das Interesse der anderen Person, das Kind zu misshandeln.

In dieser Frage wird ebenfalls oft einfach davon ausgegangen, dass beim Konsum von Tierprodukten überhaupt keine anderen Individuen einbezogen sind, die Entscheidung dafür also nur die entscheidende Person selbst betrifft und niemanden sonst. In Wirklichkeit jedoch sind definitionsgemäß andere Tiere an der Herstellung eben jener Produkte beteiligt, und zwangsläufig bezahlen diese Tiere unsere Vorliebe für unvegane anstelle von veganen Produkten mit ihrer Freiheit, ihrer Unversehrtheit und mit ihrem Leben.