Wer aus einer ethischen Motivation heraus vegan lebt, folgt einer moralischen Grundlinie, nach der den Interessen aller empfindungsfähigen Individuen die gleiche Berücksichtigung zukommt. Grundrechte (allen voran die auf Leben, Freiheit und Unversehrtheit) werden dabei allen diesen Individuen zugestanden, ohne Rücksicht auf ihre Artzugehörigkeit.
Die meisten Menschen sind sich darüber einig, dass es keine Rechtfertigung dafür gibt, anderen unnötiges Leid zuzufügen – ganz egal, ob das Opfer menschlich ist oder nicht. Dennoch sind die meisten von uns oft willens, eben solches Leid zu ignorieren, und zwar dann, wenn wir selbst einen Vorteil daraus ziehen. So stehen unter anderem der Gefangenschaft, der Qual und dem Tod vieler Milliarden Tiere jährlich unsere Vorliebe für einige bestimmte Nahrungsmittel, Unterhaltungsformen und Bekleidungsmaterialien gegenüber, die in Anbetracht der verfügbaren Alternativen nur als unnötig bezeichnet werden können.
Um diesen Widerspruch aufzulösen, bieten sich uns zwei Möglichkeiten: Entweder wir gestehen uns ein, dass unsere scheinbar von Mitgefühl und Verantwortungsbewusstsein geprägte Haltung gegenüber nichtmenschlichen Tieren nur vorgetäuscht ist, dass wir praktisch für jede Kleinigkeit unnötiges Leid in Kauf nehmen; oder aber wir erkennen an, dass Genuss, Vergnügen und Bequemlichkeit im ethischen Sinne keine Notwendigkeiten sind. Der gewohnheitsmäßige oder gelegentliche Verzehr von Tierprodukten ist nicht erforderlich, der Brauch; sich in Tierprodukte zu kleiden, nicht nötig; die Tradition, Tiere in Zirkussen oder Zoos zu betrachten, nicht zwingend. Unvermeidlich ist nur das immense Leid, die diese Praktiken mit sich bringen.
Veganismus ist keine Weltanschauung, die am Rande der Gesellschaft von vereinzelten Personen vertreten wird, sondern eine moralische Grundlinie, die sich mit den Ansichten deckt, welche die meisten Menschen ohnehin schon vertreten. Denn vereinfacht gesagt geht es beim Veganismus darum, unnötige Gewalt gegen empfindungsfähige Wesen zu vermeiden. Da die meisten Menschen unnötige Gewalt bereits wie selbstverständlich ablehnen, bedeutet der Schritt zum Veganismus keine Änderung oder gar Umkehrung unserer moralischen Grundwerte, sondern lediglich eine entsprechende Anpassung unserer Gewohnheiten, eine Überwindung der Barrieren, die uns bisher daran gehindert haben, auch diesen Werten entsprechend zu leben.
Veganismus bedeutet die praktische Umsetzung einer Haltung, welche die Gleichbehandlung der Interessen und Bedürfnisse aller empfindungsfähigen Lebewesen zur Grundlage hat, sich also mindestens in dieser Hinsicht nicht an irrelevanten Kriterien wie etwa Geschlecht, Hautfarbe, Intelligenzgrad oder Spezies orientiert.
Veganismus bedeutet die praktische Umsetzung der Leitbilder Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit und Freiheit. Der menschliche Gebrauch anderer Tiere geht jedoch zwangsläufig mit Gewalt, Unrecht und Freiheitsberaubung einher.
Veganismus bedeutet die praktische Umsetzung der Auffassung, nach der alle empfindungsfähigen Tiere Grundrechte besitzen sollen. Ein Recht auf Leben, Selbstbestimmung und physische wie psychische Unversehrtheit muss, um den Vorwurf der Doppelmoral auszuräumen, allen Individuen mit entsprechenden Interessen erteilt werden und nicht ausschließlich männlichen, hellhäutigen, überdurchschnittlich intelligenten oder menschlichen.
Veganismus bedeutet die praktische Umsetzung der Ablehnung aller menschlichen Herrschafts- und Besitzansprüche auf andere Tiere. Während die Versklavung von Menschen inzwischen weltweit geächtet wird, werden nichtmenschliche Tiere als Eigentum, als Handelsgut und als Ressource betrachtet und entsprechend behandelt.
Veganismus ist – im Gegensatz zum Vegetarismus – keine Ernährungsform, sondern eine moralische Grundeinstellung. Er bezeichnet die Vermeidung aller Produkte, Leistungen, Institutionen und Praktiken, welche die Grundrechte unfreiwillig beteiligter Individuen verletzen. Ethisch begründeter Veganismus stellt in dieser Hinsicht keinen Unterschied fest zwischen der Ausbeutung und Ermordung von Tieren zur Herstellung unnötiger Nahrungsmittel und der zur Herstellung anderer unnötiger materieller oder immaterieller Produkte.
Veganismus ist keine Selbstaufopferung „aus Liebe zu den Tieren“, sondern die konsequente Umsetzung des moralischen Gleichbehandlungsprinzips. Wir müssen andere nicht lieben, um sie nicht unterdrücken zu können, zu wollen oder – was am wichtigsten ist – zu dürfen. So wenig wie Antirassistinnen selbstlos auf die Möglichkeit verzichten, Menschen anderer ethnischer Abstammung auszubeuten, so wenig wie Antisexisten sich freiwillig selbst einschränken, um Personen des anderen Geschlechts nicht zu diskriminieren, so wenig sehen antispeziesistische (und damit vegane) Personen ihr Handeln als Opfer, das von der „moralischen Elite“ optional erbracht werden kann. Obwohl viele vegan lebende Menschen – wenig überraschend – enormes Mitleid für die nichtmenschlichen Opfer der Tierindustrie empfinden, ist die Nichtbeteiligung an Gefangenschaft und Mord nicht nur eine Frage der Sympathie, sondern vor allem Ausdruck eines bedingungslosen und konsistenten Gerechtigkeitsbewusstseins.